Eine Kultur der Achtsamkeit schaffen

Eine große Zahl von haupt- und ehrenamtlich Tätigen widmet sich im Bistum Aachen der Aufgabe, Menschen seelsorgerisch beizustehen, sie zu fördern und zu unterrichten, sie zu pflegen, zu betreuen und zu begleiten. Sie engagieren sich in Pfarreien und Gemeinschaften der Gemeinden, in Schulen, Bildungseinrichtungen und Kindertagesstätten, in Verbänden und Jugendzentren, in Krankenhäusern sowie in Wohn- und Betreuungseinrichtungen für Senioren und für Menschen mit Behinderung. Wo Menschen sich um Menschen kümmern, ist Sorge dafür zu tragen, dass das Verhältnis von Betreuenden und Betreuten keine Abhängigkeiten schafft, in denen sexualisierte Gewalt entstehen oder begünstigt werden kann. Die Verpflichtung jeder kirchlichen Körperschaft, ein institutionelles Schutzkonzept zu erstellen und danach zu handeln, ist ein zentraler Baustein zur Prävention sexualisierter Gewalt. Insgesamt 376 Körperschaften gibt es im Bistum Aachen. Die Beispiele auf den folgenden Seiten stehen für viele weitere. Sie zeigen exemplarisch, welche Erfahrungen die Verantwortlichen von Mitarbeitenden in Gruppen und Einrichtungen bei der Konzeptentwicklung machen, von welchen Werten sie sich bei den Verhaltensregeln leiten lassen und wie sie den Prozess in ihrer täglichen Arbeit lebendig halten.

 

Mitglieder der zwölfköpfigen Arbeitsgruppe, die für die Pfarreien und Einrichtungen des Kirchengemeindeverbands Krefeld-Süd ein institutionelles Schutzkonzept entwickelt hat.
Ein verlässlicher Rahmen für vielfältige Aufgaben
+

Die Pfarreien und Einrichtungen im Kirchengemeindeverband Krefeld-Süd haben die Entwicklung ihres institutionellen Schutzkonzepts für einen umfassenden Prozess genutzt, der für eine nachhaltige Sensibilisierung sorgt. Dafür war ein organisatorischer Kraftakt nötig. Eine zwölfköpfige Arbeitsgruppe hat ein übergreifendes Konzept erarbeitet, das den Kirchengemeindeverband, fünf Kindertagesstätten und zwei offene Jugendeinrichtungen sowie drei Kirchengemeinden umfasst. Das breite Spektrum verlangte Differenzierungen nach unterschiedlichen Aufgaben und jeweiligem Bedarf. „Die Betreuungs-, Beratungs- und Beschwerdewege sind in Kitas anders als in der Seniorenarbeit“, sagt Petra Störkel, Koordinatorin im Kirchengemeindeverband. Das Regelwerk berücksichtigt unter anderem Kirchenchöre, Messdiener, Kommunion- und Firmgruppen ebenso wie die Jugendarbeit in der Pfarrei und in offenen Einrichtungen, die Kindertagesstätten und schließlich auch das ehrenamtliche Engagement in Seniorenheimen und in der Flüchtlingshilfe. Mehr als 600 Personen sind hier haupt- und nebenberuflich sowie ehrenamtlich tätig.

Bei einigen stieß das Vorhaben anfangs auch auf Vorbehalte. Die Aufforderung zur Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses und zur Unterzeichnung eines Verhaltenskodex sowie die obligatorischen Schulungen wurden mitunter als Misstrauen und Belastung aufgefasst.

Die Kommunikation zum Konzept sei deshalb ebenso wichtig gewesen wie die Arbeit am Konzept selbst, berichtet Störkel. „Die Tabuisierung des Themas war ein Teil des Problems“, erklärt Pfarrer Frank-Michael Mertens. „Wir haben jetzt eine größere Sicherheit, es zu benennen und damit umzugehen.“

Das sehen inzwischen auch die Betreuerinnen und Betreuer in den verschiedenen Gruppen und Einrichtungen so. „Ich bin es nicht persönlich, die das Thema zur Sprache bringt“, sagt Mitarbeitervertreterin Erika Wolters. Das versachliche die Diskussion. „Die Richtlinien nehmen uns nicht Entscheidungen ab, aber sie geben uns wichtige Anhaltspunkte und Hilfen.“ Das gilt auch für die strikten Abläufe bei Vermutungen, Verdachts- oder Missbrauchsfällen. Und sie regeln auch, dass die Funktionsträger sich nicht selbst kontrollieren, sondern dass es Wege neben der Hierarchie gibt. „Wer mit mir als Chef ein Problem hat, muss gegebenenfalls auch an mir vorbeikommen können“, erklärt Pfarrer Mertens.

Pfarrer Frank-Michael Mertens (links) und Pastoralreferent Theo Pannen von der Arbeitsgruppe des Kirchengemeindeverbands Krefeld-Süd.
Prävention gehört zur Verkündigung des Glaubens
+

Auch die Gemeinschaft der Gemeinden Mönchengladbach- Mitte macht den Dialog über Prävention zum Teil des Entwicklungsprozesses für das institutionelle Schutzkonzept. Neben verschiedenen Gruppen und Aktivitäten der drei Pfarrkirchen sind darin die Citykirche und die Jugendkirche sowie die Grabeskirche mit ihren Angeboten der Trauerpastoral eingebunden. Hinzu kommen zwei offene Jugendeinrichtungen. Neben dem 14-köpfigen Pastoralteam engagieren sich bisher schon 30 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die den erarbeiteten Verhaltenskodex an den jeweiligen Bedarf anpassen – etwa in der Jugendarbeit, der Hausaufgabenhilfe und bei der Begleitung von Trauernden.

„Prävention gehört zum Grundverkündigungsauftrag der Kirche“, erklärt Pastoralreferent Uwe Reindorf, der als Präventionsbeauftragter den Prozess koordiniert. Die Sensibilisierung setzt dabei weit vor dem Tatbestand sexuellen Missbrauchs ein. Was ist nötig, um einen Raum zu schaffen, in dem sich die Menschen wohlfühlen können? Wie erkennen wir, dass wir nicht mehr gut miteinander umgehen? Mit Fragen wie diesen gehen die Beteiligten an das weit gefasste Thema heran. „Wir wollen Augenhöhe, auch wenn wir uns streiten“, macht Reindorf das Ziel deutlich. Es gehe um den Umgang mit den Menschen und mit den eigenen Aggressionen. Gewalt fange schon bei Blicken und bei der Sprache an. Bereits hier setzt der Verhaltenskodex ein und legt Regeln und Koordinaten fest.

Die Verankerung und Umsetzung der Regeln ist Bestandteil der jeweiligen Gruppenarbeit vor Ort. Die hat sich auch Widersprüchen zu stellen. So steht größtmöglicher Kontrolle der Schutz der Vertraulichkeit entgegen. „Nur Glashaus reicht nicht, es muss auch Schutzräume geben, die Vertrauen ermöglichen“, sagt Reindorf. „Das Reden über den Glauben ist sehr, sehr persönlich.“ Im Beichtzimmer wurde eine Glastür eingebaut, durch die man den Beichtenden sehen, aber nicht erkennen kann. Und bei der Hausaufgabenhilfe ist die Einzelbetreuung nicht abgeschafft, aber die Tür bleibt offen.

Pastoralreferent Uwe Reindorf im Jugendzentrum JUKOMM in Mönchengladbach.
Ein Schutzraum für junge Menschen
+

„Wir bauen persönliche Beziehungen auf“, sagt Sandra Jansen. Die Pädagogin leitet die offene Jugendeinrichtung D-Hof in Aachen. Das vielbesuchte Zentrum, finanziert von der Stadt Aachen, dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Bistum Aachen, liegt im Lebensraum Driescher Hof, der zum größten Sozialraum der Stadt gehört. Hier is jedes zweite Kind von Armut betroffen, mehr als 80 Prozent der 15- bis 18-Jährigen leben in Haushalten ohne geregeltes Einkommen. Bis zu 100 Kinder und Jugendliche verbringen in der Offenen Tür D-Hof täglich ihre Freizeit. „Wir sind für viele ein zweites Zuhause“, weiß Jansen. Das Team mit 13 hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, rund 20 pädagogischen Ergänzungskräften sowie ehrenamtlich Tätigen übernimmt außerdem die Ganztagsbetreuung an zwei Schulen und betreut dort täglich mehr als 200 Kinder. Der D-Hof macht Angebote in den Bereichen Freizeitgestaltung, Hilfe und Bildung. Dabei werden die Kinder und Jugendlichen einbezogen, sie gestalten mit. „Es entsteht hier nichts, woran die Kinder und Jugendlichen nicht beteiligt wären“, sagt Sandra Jansen. So lernen sie solidarisches Miteinander, und sie lernen, Verantwortung zu übernehmen.

Der Schutz vor sexualisierter Gewalt spiele in der täglichen Arbeit der Einrichtung seit jeher eine gewichtige Rolle, betont Jansen: „Wir sind ein Schutzraum für junge Menschen. Es liegt in unserer Verantwortung, dass dieser Schutzraum nicht gefährdet wird.“ Sexueller Missbrauch ist dabei ein Aspekt der Kindeswohlgefährdung, die von unangemessenem Medienkonsum über Vernachlässigung bis zu häuslicher Gewalt reicht. Die Arbeit am Konzept zur Prävention habe jedoch neu sensibilisiert, betont Jansen: „Je mehr wir uns damit beschäftigen, desto mehr sehen wir.“ So sei man sich bewusst geworden, bei welchen Gelegenheiten Körperkontakt stattfinde: Der leichte Klaps auf den Rücken als Signal „Beeil dich!“ und die Berührung am Arm, um auf etwas aufmerksam zu machen, seien zwar von Gewalt weit entfernt, aber trotzdem unangemessen. Denn jedes Zeichen körperlicher Überlegenheit berge die Gefahr des Missbrauchs von Macht und müsse daher kritisch reflektiert werden. Aus diesem Grund sei es wichtig, Grenzen zu definieren, die beide Seiten beachten.

 

Sandra Jansen in der offenen Jugendeinrichtung D-Hof in Aachen.
Prävention ist eine Frage der Haltung
+

Dass Prävention keine lästige Pflicht, sondern eine Selbstverständlichkeit ist, findet auch Klara Mies. Die Referentin für Aus- und Fortbildung beim Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), Diözesanverband Aachen, schult hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von elf Kinder- und Jugendverbänden im Bistum Aachen, in denen insgesamt 42.500 Mitglieder aktiv sind. „Die institutionellen Schutzkonzepte verschwinden nicht im Schrank. Sie sind Arbeitsmaterial“, sagt Mies. Prävention sei eine Haltungsfrage. Eine Aufgabe der Schulungen ist es, diese Haltung einzuüben. Für hauptamtliche Betreuerinnen und Betreuer ist eine zwölfstündige Präventionsschulung sowie alle fünf Jahre eine sechsstündige Vertiefung verpflichtend. Ehrenamtliche Kräfte und Mitarbeitende ohne direkten Kontakt zu Kindern und Jugendlichen erhalten eine dreistündige Basisschulung.

Neben Basiswissen zu rechtlichen Grundlagen und kindlichen Grundbedürfnissen geht es in den Schulungen auch um die Reflexion des eigenen Handelns: Kommuniziere ich, was ich tue? Kommuniziere ich angemessen? Hinzu kommen Übungen, bei denen es zum Beispiel darum geht, die Grenzen des persönlichen Raums zu erkunden oder Stopp-Signale im Blickkontakt zu erkennen.

Im Hinblick auf die konkrete Jugendarbeit geht es unter anderem um Fragen, wie man mit Mutproben umgeht, welche Spiele man zulässt und welchen Ton man pflegt. Denn auch eine freundlich gemeinte Flapsigkeit kann übergriffig sein.

Weder Konzepte noch Schulungen können allerdings Patentrezepte liefern. Doch sie können für Verdachtsfälle sensibilisieren, etwa wenn sich ein Kind auffällig verhält oder wenn das Verhalten von Betreuern zu denken gibt. „Sexualisierter Gewalt nachzugehen heißt häufig, ohne einen Beweis auskommen zu müssen“, weiß Mies. Deshalb sei es wichtig, externe Ansprechpartner zu haben und den Kontakt zu Fachstellen herstellen zu können. Denn die Betreuerinnen und Betreuer sollen nicht selbst Detektiv spielen, sondern vielmehr das Vorgefallene und Wahrgenommene sorgfältig dokumentieren und die weitere Arbeit Fachleuten überlassen. Die intensive Beschäftigung mit dem Thema garantiere jedoch keine absolute Sicherheit, warnt Mies: „Man muss immer wieder auf mögliche Risiken schauen und das eigene Handeln reflektieren.“

Machtstrukturen erkennen
+

Ein wesentlicher Teil der Präventionsarbeit im Bistum Aachen ist es, institutionelle Machtstrukturen zu durchschauen und auch das eigene Verhalten in seiner Wirkung auf andere zu deuten und zu überdenken. Statt um Verbote geht es dabei eher um die Frage, wie man, etwa in Kindertagesstätten, mit Nähe und Distanz umgeht. „Ein Kind nicht in den Arm zu nehmen, kann unterlassene Hilfeleistung sein“, sagt Irene Mörsch. Entscheidend sei, dass das Bedürfnis nach Nähe vom Kind ausgehe. Gleichzeitig sei es nötig, Kindern angemessene Distanzen und Grenzen klar zu machen.

Mörsch führt seit 2011 Schulungen für Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer, ehrenamtlich Tätige sowie für Priester und pastorales Personal durch. Dabei geht sie auch auf konkrete Fälle aus dem Erfahrungsbereich der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein, damit sie das eigene Verhalten reflektieren und Vorgehensweisen, zum Beispiel bei Verdacht auf Missbrauch, einüben. Oder die Gruppe erarbeitet die Problematik von Nähe und Distanz beispielsweise anhand verschiedener Begrüßungsformen: Was vermitteln der Klaps auf den Po, der förmliche Diener, die innige Umarmung?

Fragen wie diese werden nicht nur im Gespräch erörtert, sondern auch in praktischen Übungen erschlossen: Wie weit kann ich auf andere zugehen, ohne dass mir die Nähe unangenehm ist? Wann fühlen sie sich bedrängt und bedroht?

Die Reflexion der Ausübung von Macht sei eine zentrale Aufgabe bei der Prävention sexualisierter Gewalt. „Wenn ich die Machtstrukturen nicht erkenne, komme ich auch nicht an den Missbrauch heran“, ist Mörsch überzeugt. Denn sexueller Missbrauch sei Machtmissbrauch. Dabei verstehen es die Täter, die Bedürfnisse der Kinder zu bedienen und ihnen wirkungsvoll zu drohen. Das macht es den Opfern schwer, die zum Täter bestehende Bindung zu lösen. „Aufgeklärte und starke Kinder sind geschützter“, erklärt Mörsch. Sexualaufklärung sei ein Beitrag zur Prävention sexualisierter Gewalt. Genauso wichtig sei es, das Selbstbewusstsein der Kinder zu fördern, statt ihnen Angst zu machen. Kinder müssen lernen, „Nein“ zu sagen, ihre Bedürfnisse zu äußern und, wenn nötig, Hilfe zu holen.

Die Kinder lehren, "Nein" zu sagen
+

Kinder sagen auf verschiedene Weise „Nein“ und „Stopp“. Es gehört zum Grundsatz katholischer Kindertageseinrichtungen, dass die Persönlichkeit des Kindes ernst genommen wird. Es soll deshalb auch lernen, „Nein“ zu sagen und seine eigenen Grenzen gegenüber anderen Kindern und Erwachsenen zu behaupten. Andererseits sollten Kinder nicht übermäßig belohnt werden, denn das kann eine unangemessene Bindung und damit Abhängigkeit schaffen, die es zu vermeiden gilt. In der „Verhaltensampel“ des institutionellen Schutzkonzepts von pro futura wird deshalb „ständiges Loben und Belohnen“ ebenso kritisch eingestuft wie „bewusstes Wegschauen“ und „lächerlich machen“.

Die gemeinnützige pro futura GmbH ist Trägerin von 33 katholischen Kindertagesstätten in Aachen und Umgebung. Rund 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreuen mehr als 2.000 Kinder. Für die Erstellung des Schutzkonzepts, an der neben Erzieherinnen und Erziehern auch Eltern beteiligt waren, hat man sich viel Zeit genommen. „Wir wollten das Konzept nicht in den Ordner bringen, sondern in die Köpfe“, sagt pro futura- Geschäftsführer Heinz Zohren. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren entscheidend an der Erarbeitung des Verhaltenskodex beteiligt.

Machtverhältnisse und Grenzen spielen bei den Verhaltensregeln eine zentrale Rolle, erklärt Präventionsfachkraft Anne Franke, die die Konzeptentwicklung maßgeblich begleitet hat. Das ziele nicht nur auf Handlungen wie Belohnen und Bestrafen, sondern darauf, wertschätzend und achtsam miteinander umzugehen, sein Handeln seinem Gegenüber transparent zu gestalten. Auch die Sprache solle wertschätzen und verständlich sein. Es beginne schon mit der Anrede: „Kein Kind heißt zum Beispiel ,Schätzchen‘“, stellt Zohren klar, auch wenn das gut gemeint sei. Das Wichtigste für einen achtsamen Umgang miteinander sei es, das jeweilige Thema zur Sprache zu bringen und dafür die angemessene Sprache zu wählen. In dieser Weise haben die Teams der Kitas die Abläufe, Aktivitäten und auch ihr eigenes Verhalten hinterfragt und Vereinbarungen getroffen – auch darüber, wie sie einander Rückmeldungen geben.

 

Präventionsfachkraft Anne Franke und Geschäftsführer Heinz Zohren in einer von 33 Kindertageseinrichtungen der gemeinnützigen pro futura GmbH.
Ohne Bindung keine Bindung
+

„Regeln sind wie Leitplanken. Dazwischen gibt es mindestens zwei Fahrstreifen, man muss in jedem Einzelfall entscheiden, wie man konkret handelt“, sagt Thomas Kamphausen, Leiter des Bischöflichen Albertus-Magnus- Gymnasiums in Viersen Dülken. An der Schule sind 80 Lehrkräfte tätig, die rund 1.000 junge Menschen unterrichten. Ihr institutionelles Schutzkonzept entstand unter Beteiligung der Schülerinnen und Schüler sowie der Eltern. Das Wichtigste beim Thema Prävention sei, im Gespräch unter anderem auch über (Verhaltens-)Regeln zu bleiben, um darüber die Schülerinnen und Schüler dabei zu unterstützen, selbstbestimmte, verantwortungsvolle Menschen zu werden.

Bildung funktioniere nur über Bindung. „Unterrichten kann ich ohne Bindung, erziehen nicht“, erklärt Kamphausen und weist damit auf einen entscheidenden Aspekt der Prävention hin. Bei der Prävention in der Schule gehe es deshalb vor allem darum, dem Missbrauch der nötigen Bindung vorzubeugen. Die Nähe zu Schülerinnen und Schülern werde dann problematisch, wenn der Kontakt über die anlassbezogene Bildungs- und Erziehungsarbeit hinausgehe. Deshalb ist beispielsweise bereits die Verwendung von Kosenamen tabu, selbst wenn die jeweilige Person im Freundeskreis so genannt wird oder sich selbst so nennt. „Ich muss auch über die Sprache meine Rolle als Lehrer deutlich machen“, sagt Schulleiter Kamphausen.

Die Arbeit am Schutzkonzept hat die Lehrkräfte stärker für das eigene Verhalten sensibilisiert. Der Dialog untereinander dient dabei dem Schutz vor etwaigen Vorwürfen. Auch bei den Schülerinnen und Schülern zeigt das Konzept Wirkung. Die Lehrkräfte und der Schulsozialarbeiter, der außerhalb des Leistungs- und Bewertungssystems des Unterrichtsalltags steht, werden stärker um Rat gefragt. „Bei Problemen, häufig aus dem außerschulischen Bereich, sind wir oft die erste Anlaufstelle“, sagt die Präventionsbeauftragte Claudia Hunger. „Da ist es sehr wichtig, die Ratsuchenden erst einmal zum Sprechen über das zu ermutigen, was sie bedrückt.“ Für die therapeutische Auseinandersetzung mit den Problemen sind die Lehrkräfte nicht ausgebildet, können aber dank des bestehenden Netzwerks externe professionelle Hilfe vermitteln.

 

Schulleiter Thomas Kamphausen vom Albertus- Magnus-Gymnasium sucht das Gespräch mit Schülerinnen und Schülern.